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Arbeitszeiterfassung kommt, „wie?“ ist aber noch unklar!

Arbeitszeiterfassungspflicht in Deutschland: BAG-Urteil und Diskussionen in der Ampel-Regierung - Auswirkungen und flexible Modelle erklärt

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: In Deutschland besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (Aktenzeichen: 1 ABR 22/21)  

Über das Urteil wird in der Ampel-Regierung, in der Wirtschaft und unter Arbeitsrechtler:innen derzeit heftig diskutiert. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, etwa für Mitarbeiter:innen mit Vertrauensarbeitszeit oder leitende Angestellte, die zeitlich vergleichsweise selbstbestimmt arbeiten dürfen.  

BAG-Gerichtspräsidentin Gallner sagte über mögliche Auswirkungen des Urteils zur Arbeitszeiterfassung auf Vertrauensarbeitszeit oder mobiles Arbeiten, dass Deutschland nach dem EuGH-Urteil nur Gestaltungsspielraum „über das Wie, nicht über ob“ hat.  

Wie soll die Arbeitszeit erfasst werden? Es gibt zurzeit keine genauen Vorgaben, wie die Arbeitszeit künftig dokumentiert werden soll und damit ist unklar, welche Pflichten auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber zukommen. Das aktuelle Arbeitszeitgesetz gibt keine bestimme Form der Zeiterfassung vor, sie kann also handschriftlich oder auch elektronisch festgehalten werden. Damit sind sowohl Stundenzettel, Excel-Tabellen wie auch Apps zur Zeiterfassung möglich. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sieht jedoch vor, dass das System nachvollziehbar, fälschungssicher und durch den Arbeitnehmer einsehbar sein soll. Diese Vorgabe wird in der Regel nur durch marktübliche Zeiterfassungssysteme erfüllt. 

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales will zunächst aber die Begründung des Urteils abwarten und diese prüfen. Mit einer Urteilsbegründung des BAG wird im November gerechnet.  

Flexible Arbeitszeitmodelle wie etwa Vertrauensarbeitszeit sollten jedoch auch weiterhin möglich sein. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dazu, dass es wichtig sei, dafür zu sorgen, dass Menschen nicht um ihren Lohn betrogen werden, durch Manipulation bei der Arbeitszeit. Man müsse aber auch darauf achten, dass - wenn das Urteil Umsetzungsnotwendigkeiten in der Gesetzgebung mitbringe - diese "so unbürokratisch wie möglich stattfindet". 

Am inhaltlichen Kern der Vertrauensarbeitszeit ändert das BAG-Urteil nichts. Dass Beschäftigte, auch im Homeoffice, ihre arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten individuell passend gestalten können, bleibt ihnen – innerhalb gewisser tarifvertraglicher oder gesetzlicher Leitlinien – völlig unbenommen. Es kommt aber eine Dokumentationspflicht hinzu. Die gesetzlichen Regelungen zu Ruhepausen, Ruhezeiten, täglicher Höchstarbeitszeit und zum Verbot von Arbeit an Sonn- und Feiertagen gelten übrigens heute schon.  

In der Industrie, in Behörden oder im Gastgewerbe gehört die Zeiterfassung bereits zum Alltag vieler Unternehmen. Das Urteil des BAG betrifft aber alle Arbeitnehmer in Deutschland - also rund 45 Millionen Beschäftigte. Viele davon arbeiten in einem sogenannten Vertrauensarbeitszeitmodell, in dem Arbeitnehmer selbstständig oder in Absprache über ihre Arbeitszeit verfügen und das Arbeitsergebnis in den Vordergrund rückt.